Spaniens Schattenwirtschaft
Schattenwirtschaft als Wirtschaftsfaktor- Flucht in die Schwarzarbeit als letzter Ausweg der Menschen aus der Krise
Die Zahl der Schwarzarbeiter und der illegalen Geschäftsabschlüsse ist in Spanien sehr groß. In der Immobilienwirtschaft werden Provisionen heruntergerechnet oder cash kassiert, in der Bauwirtschaft beschäftigt man illegale Einwanderer und in der Gastronomie werden die Arbeitnehmer auf Minijobniveau angemeldet obwohl sie täglich acht bis zehn Stunden arbeiten. Und das sind nur einige Beispiele, die jeder bestätigen kann, der schon einmal länger in Spanien gelebt hat.
Die legale Wirtschaft hingegen steckt in einer tiefen Krise und die Arbeitslosigkeit befindet sich mit 21% auf einem traurigen EU-Rekordniveau. Für die Jugendlichen sieht es noch schlechter aus: fast jeder zweite unter 25 Jahren ist arbeitslos. Da scheint es nahe zu liegen- wenn sonst nichts geht- sich wenigstens nach einer Schwarzarbeit umzusehen. Von irgendetwas müssen die Menschen ja leben. Kleinverdiener haben zudem noch nicht einmal die Möglichkeit sich als Selbstständige anzumelden. Denn als erstes müssten sie dann monatlich 257 Euro Sozialabgaben zuzüglich Steuern bezahlen. Dabei ist in Bezug auf die Sozialabgaben egal wie viel ein Erwerbstätiger verdient hat und ob ihm noch etwas übrig bleibt wenn er sie beglichen hat, die Steuern richten sich dann nach dem Einkommen.
Niemand allerdings scheint sich darüber Gedanken gemacht zu haben wovon diese Menschen eigentlich leben sollen. Ein Grundeinkommen oder eine ausreichende soziale Hilfe in schlechten Zeiten gibt es nicht. So ist für alle, die ein geringes oder unregelmäßiges Einkommen haben die Selbstständigkeit unattraktiv oder schlicht nicht bezahlbar. Sie sehen nur den letzten Ausweg: Schwarzarbeit.
Neben den Geringverdienern gibt es natürlich auch immer die Leute, die einfach unsolidarisch sind und den Hals nicht voll kriegen können. Gastronomiebetriebe an der Playa de Palma auf Mallorca mit Bombenumsätzen, die alle Angestellten nur für acht Stunden in der Woche anmelden, obwohl sie eine Vollzeitstelle haben oder Großverdiener, die ihr Hauspersonal aus Gier einfach nicht anmelden wollen. Dazu die Hotelbesitzer an Spaniens Küsten, die grundsätzlich nur befristete Verträge mit immer neuen Mitarbeitern abschliessen, um Festverträge zu umgehen und zuguterletzt Reiseagenturen, die geschickt Tariflöhne unterwandern. Es gibt sehr viel unverschämtes Ausbeuten und deutlich zu wenig Kontrollen. Man hat sogar den Eindruck: Jeder weiß es, aber keiner tut was dagegen. Ein Zusammenhang mit der allgegenwärtigen Korruption liegt nahe.
Das Gros der Schwarzarbeiter, der Leute, die alte Menschen stundenweise betreuen, Nachhilfeunterricht geben, auf den Feldern helfen oder in der Gastronomie oder Bauwirtschaft tätig sind aber hat eines gemeinsam: es gibt für sie überhaupt keine Angebote für legale Beschäftigung und damit sind sie alternativlos.
Wirtschaftswissenschaftler schätzen den Beitrag, den die Schwarzarbeiter in Spanien 2010 zum Bruttonlandprodukt leisteten auf rund 20%. Der geschätzte Verlust für den Staat wird mit 200 bis 250 Milliarden Euro beziffert. Experten meinen, dass man das gesamte Haushaltsdefizit von rund 9,8% des BIP ausgleichen könnte, wenn alle illegal Beschäftigten angemeldet wären.
Das mag schon sein, aber wie will man die Betriebe ohne die nötigen Kontrollen dazu bringen ihre Beschäftigten korrekt anzumelden? Es scheint, dass auch in diesem Bereich Reformen nötig sind, um den Filz aus Korruption und Vetternwirtschaft zu zerschneiden. Auf der anderen Seite muss eine Möglichkeit für Geringverdiener geschaffen werden ihre Beschäftigung zu legalisieren, ohne dass sie einen Grossteil ihres ohnehin lächerlich geringen Verdienstes sofort wieder abgeben müssen. Denn auch diese Leute haben ein Recht auf Wohnung, Nahrung und ein sicheres und gutes Leben.
Spanien muss sich grundlegend reformieren, um seine Probleme in den Griff zu kriegen. Das haben nicht nur die Indignados erkannt.
Es reicht nicht nur an allen Ecken und Enden zu sparen, man muss das System selbst überdenken, die Gier der Besitzenden bekämpfen und eben u. a. auch die Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt kontrollieren und verbessern.
Es ist nicht nur die Finanzkrise, die Spanien und der Weltwirtschaft zu schaffen macht, es ist ursächlich der global so populäre Neoliberalismus,der sich selbst ad absurdum führt, indem er die kapitalistischen Wirtschaftsysteme in Spanien und anderswo in eine tiefe Krise gestürzt hat.