Gutachten in Spanien
Bis zum heutigen Tag ist die Berufsbezeichnung „Sachverständiger“ oder „Gutachter“ in Deutschland und Spanien nicht gesetzlich geschützt.
Wer sich als solcher betätigen oder so nennen will braucht keine behördliche Zulassung, er kann also seine Dienste anbieten und sich so bezeichnen, wie er glaubt, in der Öffentlichkeit am besten klar zu kommen. Es ist aber in beiden Ländern vom zivil- und strafrechtlichen Tatbestand einer Täuschung oder von Betrug auszugehen, wenn sich jemand als Sachverständiger bezeichnet ohne die nötigen Voraussetzungen zu erfüllen. Auch kann darin eine sitten- und / oder irreführende Werbung vorliegen. Irreführend ist die Bezeichnung immer dann, wenn einem selbsternannten Sachverständigen die besondere Sachkunde und das entsprechende Erfahrungswissen fehlen. Die Ausbildung z.B. als Architekt oder Bau-Ingenieur beinhaltet eine normale, aber keineswegs eine besondere Sachkunde. Das Institut für das Sachverständigenwesen (IfS) definiert: „Unter besonderer Sachkunde versteht man, dass der Sachverständige überdurchschnittliche Kenntnisse, Erfahrungen und Fähigkeiten auf einem bestimmten, abgegrenzten Sachgebiet nachweisen kann und dass er in der Lage ist, einen konkreten Streitfall in Gutachtenform nachvollziehbar, nachprüfbar und verständlich zu bearbeiten.“ Weiterhin heißt es: „Bedenken gegen die Eignung bestehen, wenn der Sachverständige oder Gutachter nicht Gewähr dafür bietet, dass er die Sachverständigentätigkeit pflichtgemäß ausüben wird. Er muss die Gewähr für Unparteilichkeit, Unabgängigkeit, Objektivität, Besonnenheit und Einhaltung seiner besonderen Pflichten als freier Sachverständiger bieten.“ Zur genauen Definition und Abgrenzung liegen Entscheidungen von deutschen und spanischen Gerichten vor.
In einem deutschen Gerichts-Verfahren ist der Sachverständige Gehilfe des Richters.
Dort wird überprüft, bei welchem Sachverständigen die zur Erstattung eines notwendigen Gutachtens erforderliche Sachkunde und Eignung vorliegen und wer gerichtsanerkannt ist. Die Auswahl des Sachverständigen liegt im freien Ermessen des Gerichts, insbesondere wenn • Spezialkenntnisse, z. B. für spanische Eigenarten und Besonderheiten in der Bewertung erforderlich sind und • keine öffentliche Bestellung in Deutschland für z.B. das Fachgebiet „Bewertung spanischer Immobilien“ möglich ist. Deutsche „öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige“ sind nach deutschen Vorschriften und Gesetzen ausgebildet und werden nach deutschen Standards geprüft. Sie verfügen daher in den wenigsten Fällen über Kenntnisse der Besonderheiten in Spanien. Die neue EU-Zertifizierung gem. ISO 17024 bringt hierzu momentan auch keine Abhilfe, die deutschen Prüfungskommissionen sind noch nicht in der Lage, die notwendigen Gutachten zu spanischen Immobilien zu überprüfen und den fachlichen Teil zu spanischen Vorschriften und Gesetzen zu bewerten. Das spanische Sachverständigenwesen ist nicht so eindeutig wie in der deutschen ZPO geregelt und hinkt den deutschen und auch den weitgehenden europäischen Grundsätzen (noch) nach. Öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige, sowie nach ISO 17024 zertifizierte, gibt es in Spanien nicht. Die Bestellung als spanischer „Gerichtsgutachter“ beinhaltet jedoch eine akademische Ausbildung und eine Prüfung. Spanische Architekten oder Bauingenieure (Aparejadores) müssen in der jeweiligen Kammer registriert sein, sind damit aber nicht automatisch Sachverständige oder Gutachter. Bei spanischen Rechtsstreiten zu Bauschäden /-mängeln ist bereits im Vorfeld üblicherweise für jede Partei ein eigener „Gutachter“ tätig. Nur wenn im gerichtlichen Verfahren keine für den Richter überzeugende Feststellung der Parteiexperten vorliegt, beauftragt dieser einen Gerichtsgutachter um nach eigener Meinungsbildung zu entscheiden.
Der spanische Sachverständigenbereich Immobilienbewertung ist stark nach den Bedürfnissen der Banken ausgerichtet. Dort steht die Bonität des Kreditnehmers und die Finanzierungssumme, jedoch nicht der eindeutige Marktwert eines Objektes im Vordergrund. Entsprechend werden spanische Gutachten, auch wenn sie beglaubigt übersetzt sind, häufig in deutschen Rechtsverfahren nicht anerkannt. Welcher gewiefte Anwalt lässt sich schon ein Gutachten über einen Schätz- oder Beleihungswert, statt eines nachvollziehbarem Verkehrs- oder Marktwert unterjubeln? Auch in Spanien haftet jeder Ratgebende – Anwalt, Arzt, Steuerberater usw. und auch Gutachter – für die Richtigkeit seiner Informationen. Dienstleister mit korrekter Ausbildung können daher immer eine Haftpflichtversicherung für das entsprechende Tätigkeitsgebiet nachweisen. Sachverständige oder Gutachter sollten neben „Diplomen“ auch auf eine ausreichende Versicherung für den jeweiligen Tätigkeitsbereich angesprochen werden – und neutrale Referenzen vorlegen.